Für einen ersten Besuchstermin im Caritas Bildungszentrum, kurz CarBiz, empfiehlt sich ein kleiner Zeitpuffer. Ist doch der aktuelle Standort auf dem ehemaligen Siemensgelände in der Kempelengasse 1 im 10. Bezirk mit seiner Größe, den unterschiedlichen Bauteilen und Eingängen und der Vielzahl an dort angesiedelten Projekten anderer Träger ein kleines Labyrinth. Über den Lift im Bauteil 1 fährt man in den 4. Stock. Gleich beim Ausstieg ist der Empfang des CarBiz, wo ein/e Mitarbeiter*in erste Anfragen beantwortet, Informationen weitergibt, Wartelisten für Kurse befüllt, bei der Suche nach Kursräumen oder Mitarbeiter*innen unterstützt oder einfach nur zu den Kursen des ÖIF (Österreichischer Integrationsfonds) verweist, die auf demselben Stock, aber in einem anderen Abschnitt stattfinden.
Entlang der Gänge befinden sich die Kursräume, eine Kreativwerkstatt, die Büros für die Mitarbeiter*innen, die Beratungsräume, eine kleine und auch eine große Mitarbeiter*innenküche, die langsam wieder zahlreicher genutzt wird. Ein wichtiger Ort für Gespräche und Austausch zwischendurch.
Das Caritas Bildungszentrum ist eine Einrichtung im Fachbereich Arbeit und Qualifizierung, mit jeweils einem Standort in Wien und Niederösterreich. Aktuell setzen sich 34 Mitarbeiter*innen mit den Teilbereichen „Beratung und Begleitung“, „Sprache und Qualifizierung Wien“ und „Sprache und Qualifizierung NÖ“ wöchentlich für bis zu 300 Menschen ein.
Zwölf verschiedene Projekte bzw. Kurse mit unterschiedlichen Schwerpunkten/Ausrichtungen bezüglich Zielgruppe und Sprachniveau, werden zurzeit angeboten. Da wären zum Beispiel Deutschkurse auf dem Niveau B2 mit Unterstützung für die Integration in den Arbeitsmarkt (Quantensprung). Auch ein Deutschkurs für Frauen mit einem Kreativschwerpunkt (Talente) wird angeboten, in dem Frauen sich in einem geschützten Rahmen ausprobieren, ihre Talente entdecken und ohne Leistungsdruck die neue Sprache lernen können. Und Menschen, die keine oder nur sehr geringe Schulerfahrung haben, erlernen im Projekt BaBi (Basisbildung) erste Kompetenzen in Lesen, Schreiben, Rechnen und erfahren lebensorientiertes Lernen.
All diese Kurse haben begleitende Sozialberatung, was für die Teilnehmer*innen eine große Unterstützung und für die Mitarbeiter*innen/Unterrichtenden eine große Entlastung darstellt. Dies ist unter den zahlreichen Bildungsangeboten im Bereich der Sprachvermittlung eine Ausnahme, aber ein wichtiges Angebot mit nachhaltiger Wirkung für die Klient*innen.
Eine vollständige Liste aller CarBiz Projekte findest du weiter unten samt den dazugehörigen Links.
Wie alles begann…
Gegründet wurde das CarBiz im April 2011. Ziel war es, die Bildungsaktivitäten der Caritas Wien zu bündeln und zu stärken.
Vor April 2011 waren die Asylwerber*innen und subsidiär Schutzberechtigten in der Bildungsberatung sowie bei den ehrenamtlichen Deutschkursen im Asylzentrum angesiedelt, während Migrant*innen bzw. Personen mit Arbeitsmarktzugang im Migrant*innenzentrum angedockt waren. Damaliger Teilbereichsleiter Ausländer*innenhilfe Michael Zikeli hat entschieden die beiden Zielgruppen Geflüchtete und Migrant*innen in einer Einrichtung zu betreuen.
Es sollte ein Signal nach innen und außen sein, dass sich die Caritas Wien verstärkt in Bildungsfragen positioniert, und dass auch für Asylwerber*innen, Flüchtlinge und Migrant*innen Aspekte der Aus- und Fortbildung und deren Anerkennung (Nostrifizierung) eine der entscheidenden Zukunftsfragen darstellen. Was fehlte war ein Kompetenzzentrum für alle Bildungsfragen, ein breites Angebot an kreativen Projekten für Bildungsberatung, Nachhilfe, Basisbildung, gezielte Fortbildung und Begleitung für anerkannte Flüchtlinge u.v.m.
Charlie Bader hat damals (2011) die Einrichtung aufgebaut, ein Team zusammengestellt, passende Räumlichkeiten organisiert, die Gelder über Projektanträge (in Zusammenarbeit mit dem Förderwesen) aufgestellt, d.h. die Projekte von der Theorie in die Praxis umgesetzt. Und dann das ständig wachsende Team in seiner wichtigen Arbeit begleitet.
Gestartet wurde mit vier Mitarbeiter*innen in Räumen auf dem Gelände des Alten AKH mit Bildungsberatung für die Zielgruppe der Asylwerber*innen, subsidiär Schutzberechtigte, Asylberechtigte und Migrant*innen, sowie bald auch für neue EU-Bürger*innen, und mit Deutschkursen von ehrenamtlichen Kursleiter*innen für Asylwerber*innen. Zusätzlich entstand die Idee der Lerncafés, die im November 2011 an den Standorten Hebbelplatz und Holeyplatz ihren Anfang nahmen.
Im Laufe der Jahre kamen immer mehr Projekte hinzu und das CarBiz erlebte ein enormes Wachstum, mit bis zu 100 hauptamtlichen Mitarbeiter*innen im Jahr 2017 und 2020. Mit dem Wachstum wechselten auch die Standorte: Altes AKH, Baumanngasse, Favoritenstraße, Hebbelplatz, Pfeiffergasse und schließlich Kempelengasse. Auch die Leitung erlebte einen häufigen Wechsel. Leider ist bei Projektfinanzierungen auch meistens ein Ende angesagt, und so kam es, dass das CarBiz in den letzten Jahren ziemlich geschrumpft ist und mehrere Mitarbeiter*innen die Caritas verlassen oder in andere Bereiche wechseln mussten.
Im November 2021, mit der letzten Veränderung der Einrichtungsleitung ist mit Detlef Scholz nun eine Person mit einem klaren Bekenntnis zur Konsolidierung des CarBiz in Erscheinung getreten, der die Kompetenzen der Mitarbeiter*innen zu schätzen weiß und das CarBiz langfristig stabilisieren und finanziell gut aufgestellt weiterentwickeln möchte.
Die Bildungsarbeit begleitet Detlef Scholz schon sehr lange in unterschiedlichen Facetten, als Trainer, Vortragender und auch als Dozent. Mit der Publikation mehrere Fachbücher und wissenschaftlichen Arbeiten möchte er nachhaltige Bildungsarbeit sicherstellen.
„In diesem Zusammenhang ist es für mich besonders reizvoll über Bildungsarbeit einen Beitrag gerade für bildungsbenachteiligte Menschen zu leisten, um ihnen nachhaltige Chancen zu ermöglichen“.
Was ist das Besondere am CarBiz?
Zusammenhalt, Flexibilität, Unterstützung, freundliche Atmosphäre, Einsatz von Herzen, die Freude am Tun, das Engagement, die gute Stimmung, das freundliche Arbeitsklima, das kollegiale Miteinander, die gegenseitige Unterstützung und…
Mit diesen Worten beschreiben die Mitarbeiter*innen das Besondere am CarBiz…
Thomas Lang, Berater: „Es sind die Mitarbeiter*innen, die lösungsorientiert im Sinne der Klient*innen und Kursteilnehmer*innen agieren. Sie bringen ihr Erfahrungswissen zum Einsatz und sorgen bei der Zielgruppe für positive Veränderungen, mitunter auch durch Empowerment. Wo es möglich ist versuchen die CarBiz Mitarbeiter*innen auch über ihre Kompetenzen hinaus zu unterstützen bzw. andernfalls gut vernetzt die Klient*innen weiter zu verweisen. Sie arbeiten täglich daran, dass ihre Klient*innen Chancen zur Veränderung bekommen und Hürden abgebaut werden.“
Melanie Romstorfer, Trainerin: „Für mich ist das Besondere, dass hier Personen aus vielfältigen Kontexten und mit unterschiedlichen Erfahrungen zusammenarbeiten und sich bei der Arbeit sehr viel Vertrauen schenken. Das trägt auch dazu bei, dass es genug Freiraum und Kreativität beim Gestalten der Angebote gibt, sehr viel Wertschätzung füreinander und ich das Gefühl habe, mich einbringen zu können, und es auch den Raum gibt, dass sich Klient*innen einbringen können.“
Charlie Bader, erster Einrichtungsleiter: „Das tolle Team! Und die Möglichkeit, mit viel Kreativität wirklich was zu bewirken in einem unglaublich wichtigen Thema.“
David Himler, ehemaliger Einrichtungsleiter 2016 – 2019: „Das CarBiz ist grandios. Ich bin immer noch dankbar für die vielen Erfahrungen, die ich im CarBiz sammeln konnte, die vielen inspirierenden Begegnungen und spannenden Projekte, die ich in meiner Zeit im CarBiz begleiten durfte. Das zeichnet das CarBiz aus: eine große Agilität, Flexibilität, Motivation und Engagement.“
„Für mich steht das CarBiz für Bildungsarbeit mit Caritas Auftrag – d.h. auch im Bildungsbereich „Not sehen & handeln“, also Zielgruppen zu unterstützen und zu begleiten, die am gesellschaftlichen Rand stehen, die in anderen Projekten vielleicht „übrig“ bleiben und aus dieser Praxis heraus auch bewusst den Finger in bildungspolitische Wunden zu legen.“
Andrea Lörracher, Beraterin: „Das Besondere ist, dass das CarBiz von den Klient*innen her sehr divers ist. Es gibt viele verschiedene kulturelle Hintergründe, verschiedene Bildungshintergründe (von keiner Schulbildung bis zu Hochschulabschlüssen) und wir schaffen es, dass wir diese unterschiedlichen Menschen mit den unterschiedlichsten Kompetenzen und Bedürfnissen ein Stück bei ihrer Weiterentwicklung fördern und begleiten. Unser Team arbeitet sehr vielfältig und sehr umfassend und auch professionell in den jeweiligen Bereichen. Wir arbeiten sehr unterschiedlich mit den Klient*innen/Teilnehmer*innen und wir bekommen immer das Feedback, dass sich alle sehr gut aufgehoben, betreut bzw. beraten fühlen.“
Simone Wührer, Teamleitung „Sprache und Qualifizierung Wien; seit November 2022 in Mutterschutz/Karenz: „Was mir im CarBiz von Anfang an aufgefallen ist, ist die hohe Selbständigkeit, Professionalität und Motivation, mit der jede/r einzelne arbeitet. Und dass im Mittelpunkt aller Aktivitäten immer das Wohl unserer Klient*innen und Teilnehmer*innen steht. Besonders im CarBiz ist außerdem die Kombination von hauptamtlichen und freiwilligen Mitarbeiter*innen in unseren unterschiedlichen Bildungsprojekten.“
Kathrin Fürst, Standortleitung Sprache und Qualifizierung NÖ: „Die Flexibilität, Selbstständigkeit der Mitarbeiter, die Offenheit für Neues und der Zusammenhalt.“
Silvija Lovrinović-Adžaga, Deutschlehrerin Sprache & Qualifizierung NÖ: „Der Zusammenhalt, die Vielfalt und die Wertschätzung seitens der Leitung, Klient*innen und Kolleg*innen.“
Herausforderungen…
Silvija Lovrinović-Adžaga, Deutschlehrerin Sprache & Qualifizierung NÖ: „Da es sehr viele Klient*innen sind, mit unterschiedlichen Bedürfnissen, sehe ich als Herausforderung , all diesen Bedürfnissen gerecht zu werden.“
Kathrin Fürst, Standortleitung Sprache und Qualifizierung NÖ: „Flexibel sich an Projektgegebenheiten anpassen, immer wieder neue Projekte ins Auge fassen, das Team auch durch unsichere Zeiten führen.“
Wünsche der Mitarbeiter*innen…
- „Bessere Karrieremöglichkeiten für Karenzrückkehrer*innen, die hauptsächlich Frauen sind und in Elternteilzeit arbeiten müssen (Alleinerziehende).“ (Nurgül Sarikaya, ehemalige Projektmitarbeiterin)
- „Einen Bewegungsraum für Mitarbeiter*innen und Klient*innen, in dem wir tanzen, spielen, turnen und entspannen können.“ (Melanie Romstorfer, Trainerin)
- „Höhere, langfristige Subventionen und Finanzierung der Projekte, die Bildung (Spracherwerb) in der Kombination mit Sozialberatung und Unterstützung bei der Arbeitsmarktintegration der bildungs- und arbeitsmarktbenachteiligten Menschen im Fokus haben.“ (Miriam Singer, Beraterin)
- „Sichtbar machen, wie wichtig, sinnvoll und nachhaltig die Arbeit für die gesamte Gesellschaft ist.“ (Miriam Singer, Beraterin)
- „Bessere Förderbedingungen bzw. mehr Geld für unsere Projekte.“ (Theresia Klopfer-Diem, Koordinatorin)
- „Berechenbarkeit unserer Arbeit, klare rechtzeitige Informationen über die Gegenwart und die Zukunft.“ (Georgette Györgyi, Projektassistentin)
- „Gut funktionierendes Equipment (z.B.
n, Handys), gute EDV Wartung von PC und Laptops für Klient*innen.“ (Johanna Weber, Projektmitarbeiterin) - „Noch viele kreative Aktivitäten in DEM Zukunftsbereich. Und mehr erfolgreiches Lobbying bei den Entscheidungsträgern für Förderungen und Subventionen – damit man in etwas sicherere Fahrwasser gelangen kann und damit auch zu mehr Beständigkeit und Kontinuität.“ (Charlie Bader)
- „Keine weitere Krise mehr für die nächste Zeit.“ (Kathrin Fürst, Standortleitung Sprache und Qualifizierung NÖ)
- „Mehr Projekte für Frauen und Kinder.“ (Silvija Lovrinović-Adžaga, Deutschlehrerin Sprache & Qualifizierung NÖ)
Infos zu den aktuellen Projekten mit Link
Migrants Care
Dieses Projekt bietet individuelle Beratung und umfassende Information über eine Ausbildung im Pflege- und Betreuungsbereich für Migrant*innen.
Bildungsberatung/Bildung4Future
In diesem Projekt werden Jugendliche und junge Erwachsene mit Flucht- und Migrationshintergrund im Alter von 15 bis 25 Jahren sowie deren Eltern beraten.
Sozialberatung und Ausbildungsbegleitung für Personen in Pflegeausbildung und Frauenperspektivenworkshops.
Dieses Projekt hat am 1.1.2023 gestartet und ist das Nachfolgeprojekt von ProLehRE. Der Fokus liegt bei der Begleitung von Personen, die eine Pflegeausbildung machen. In der Projekteingangsphase finden noch keine Beratungen statt. Momentan werden Exper*innenworkshops organisiert, wo relevante Stakeholder, vor allem von Ausbildungseinrichtungen in der Pflege eingeladen werden.
Quantensprung – Arbeitsmarktvorbereitung
Dieses Projekt erleichtert Frauen und Männern mit subsidiärem Schutz, Asylberechtigung oder Drittstaatsangehörigkeit, die ohne formale Qualifikation nach Österreich gekommen sind, den Einstieg in den Arbeitsmarkt, in ein Lehrverhältnis oder eine andere Aus- und Weiterbildungsmaßnahme. Im Rahmen einer kontinuierlichen Beratung werden konkrete berufliche Perspektiven erarbeitet sowie Deutschkenntnisse aufgebessert.
FW Deutschkurse für Asylwerber*innen
Wir bieten kostenlose Deutschkurse für Asylwerber*innen in Wien an. Unsere Kursleiter*innen sind freiwillige Mitarbeiter*innen. Die Kurse orientieren sich am Alltag der Menschen.
BaBi – Basisbildung für Asylberechtigte
Einige Personen mit Flucht- oder Migrationshintergrund hatten in ihren Herkunftsländern oder aufgrund ihrer Fluchtgeschichte nicht die Möglichkeit eines regelmäßigen oder langjährigen Schulbesuchs. In diesem Projekt werden Kursmodule zur Basisbildung und zu lebensweltorientiertem Lernen angeboten. BaBi ist ein Bildungs- und Beratungsangebot für Personen mit Basisbildungsbedarf ungeachtet ihrer Herkunft und Erstsprache.
Talente
Das Projekt Talente ist ein Kurs- und Beratungsangebot für Frauen mit Kreativschwerpunkt zur Vorbereitung auf Berufs- und Arbeitswelt.
Treffpunkt Österreich – Begegnung Österreich (TÖBÖ)
Mit dem Projekt TÖBÖ – Treffpunkt Österreich – Begegnung Österreich unterstützen wir Asylberechtigte, subsidiär Schutzberechtigte und Migrant*innen in Niederösterreich auf ihrem Integrationsweg. Wir bieten Beratung, Deutschkurse, Deutsch-Prüfungen, Kinderkurse sowie Unterstützung bei der Arbeitssuche an.
- Bericht & Interviews: Svenja Häfner, langjährige Mitarbeiterin im CarBiz, seit 2022 Stv. Vorsitzende des Betriebsrates HiN
- Fotos: (c) Caritas Wien
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.